Rede
zur
Feier des Geburtstages Sr. Maj. des Deutschen Kaisers Königs von Preussen
Wilhelm I.
gehalten
an der Christian-Albrechts-Universität
am 17. März 1883
von
Dr. Friedrich Blass
ordentlichem Professor der classischen Philologie.
Kiel 1883.
Zu haben in der Universitäts-Buchhandlung.
Druck von Schmidt & Klaunig.
[S. 1]Hochansehnliche Versammlung!
Auch uns vereinigt heute die sechsundachtzigste Wiederkehr desGeburtstagsfestes unsres erhabenen Kaisers und Königs, die in wenigenTagen bevorsteht. Allüberall im deutschen Reiche und weit jenseits derGrenzen desselben, wo nur überhaupt Menschen deutschen Stammes unddeutscher Sprache beisammen sind, gedenkt man in diesen Tagen mit Freudeund Stolz des Begründers des deutschen Reiches. Und es ist gut, dassjährlich eine Zeit wiederkehrt, die zu diesem Gedenken auffordert und denAnlass dazu giebt, damit nicht die Gewohnheit uns abstumpfe und uns dasals alltäglich und gewöhnlich erscheinen lasse, was doch nimmermehrgewöhnlich ist. Wir alle, die wir die grossen Ereignisse der letztenDecennien, seitdem dieser Herrscher den Thron seiner Väter bestieg, mitBewusstsein durchlebt haben, müssen es uns immer wiederholen: wir sindbegünstigt vor vielen andern Geschlechtern. Nicht bloss, weil wir dashaben in Erfüllung gehen sehen, was die Hoffnung und die Sehnsucht unsrerVäter und Grossväter war, sondern auch weil es etwas besonderes ist,mitbetheiligter, wenn nicht gar mitwirkender Zeuge grosser Dinge undmitlebender Genosse grosser Männer zu sein. Gleichwie jetzt unser Volk, inden altangestammten Provinzen wenigstens, immer noch in den Erinnerungenan Friedrich den Grossen lebt, und dieser Fürst mit seinen Generälen,einem Seydlitz, Ziethen und so fort, dem gewöhnlichsten Manne vertrauteund geliebte Gestalten sind, so wird in kommenden Zeiten in den alten undin den neuen Provinzen, ja vielmehr in ganz Deutschland, Kaiser Wilhelm I.mit seinen Prinzen und seinen Genossen, einem Grafen Moltke, Grafen Roon,Fürsten Bismarck, für Hoch und Niedrig ein geliebter Gegenstand gewohnterUnterhaltung und, im Bilde, des verehrenden täglichen Anschauens sein.Billig also dürfen wir mit Stolz uns freuen, dass diese Gestalt für unsnicht nur in der Erinnerung lebt, und müssen nicht am wenigsten auch dieGnade dankbar preisen, dass die Fülle der Jahre das Haupt unsresallverehrten Kaisers und Königs noch nicht gebeugt hat. Denn wenn wir indie Geschichte blicken, so finden wir auch dies soweit entfernt[S. 2]gewöhnlich zu sein, dass es eher beispiellos ist. Gerade der heutige Tagbringt uns die Grösse dieser Gnadengabe recht zum Bewusstsein.
Hochverehrte Anwesende! Die Universitäten, als die Pflegerinnen derWissenschaft, und nicht zum wenigsten unsreChristian-Albrechts-Universität, haben noch ganz besondre Ursache zum Dankund zur Freude. Was unsre Universität dem deutschen Reiche und seinemerhabenen Begründer verdankt, steht zum Theil sichtlich vor unsern Augen.Das neue deutsche Reich hat sich alsbald angeschickt, auch die deutscheWissenschaft in allen ihren Theilen zu pflegen und zu fördern. Zwar istdie Wissenschaft international, aber eben darum ein Gegenstand edlenWettstreites unter den Nationen, und wenn wir Deutschen schon vorher, ehewir ein geeinigtes Volk wurden, viel Ruhm und Ehren in diesem Wettstreiteerlangt haben, so ziemt es sich jetzt vo