Katastrophen.

Neue Novellen
von
Juliane Déry.

Stuttgart.
Verlag von Adolf Bonz & Comp.
1895.

Druck von A. Bonz' Erben in Stuttgart.

Inhalt.

   Seite
Der angekündigte Tod1
Die Erbschaft43
Rußland in Paris87
Der erste Hirsch133

Der angekündigte Tod.

I.

Zur hundertjährigen Jubelfeier der französischenRevolution rüstete auch Karl Faber,ein junger österreichischer Dichter, zur Reisenach Paris. Die unverstandene erste Jugendzeitwar gottlob vorbei; als ein weiser Genußmenschwollte er sich an das üppige Mahl des Lebens setzen.Er hatte einen gewaltigen Appetit, einen wahren Heißhunger– Tischlein deck dich! Tischlein deck dich!

Doch da fuhr der Teufel in ihn: nicht bloß daßer es mit seinem ehrlichsten Freund, einem einflußreichenMann, gründlich verdarb, er zerschlug sich auchmit seinen Angehörigen. Einerseits beschämt, andererseitsgekränkt, wollte er sich endlich auf die Reise machen,als der Wagen, der ihn zu Bahn fuhr, mit den Rädernin der Luft auf den Pflasterstein zu liegen kam. Karl,der mit einem Beinbruch davon gekommen war, mußteseine Abfahrt von Tag zu Tag verschieben, sich vomFrühling allerlei Verlockungen ins Ohr flüstern lassen und bei offenen Thüren wie ein Gefangener brüten:Leben, bist du so? Ziehst mit der einen Hand zurück,was du mit der andern reichst, willst nur Herzwehmachen, narren? Mürrisch verzichtete er auf die Freudender Seinestadt, und sobald er wieder auf den Beinenwar, machte er sich nach dem bretagnischen KüstendorfLoctudy auf, wo ein weitläufiger Schwager von ihm aufeinsamer Scholle saß. Das Meer sollte den Lustreisendenschadlos halten. Paris wollte er nicht mehr sehen. ZumGlück mußte die Fahrt dort gar nicht unterbrochen werden.Hurtig, Kutscher, zum Anschluß! Allein der Zugbrauste Karl vor der Nase ab. Dieser fluchte, kratztesich hinterm Ohr, suchte aber dann, um die Zeit biszum Abgang des nächsten Zuges tot zu schlagen, denGelehrten Laland auf, der ihn schon längst mit offenenArmen erwartete. Er fand ihn bei Tisch im Kreisfröhlicher Gäste.

»Ein Glück,« rief der väterliche Freund, »daßSie sich das Bein und nicht den Hals gebrochen haben!«

»Keine Furcht. Ich stehe in Teufels Schutz!«

»Der Teufel ist die Jugend!« lachte der Gelehrte;doch als Karl vom Weiterreisen sprach, verging ihmdie gute Laune.

»Der Lebensdrang stürmt in Ihnen, weiß nicht,wo hinaus, und macht Sie toll!« schalt er, denn er kannteihn nur allzu gut vom Vaterhause her. »Was suchen Sie im Mai am Meeresstrand? Hier ist Ihr Platz!Der muß kein Herz im Leibe und keinen Verstand imKopfe haben, der es über sich bringt, Paris links liegenzu

...

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