Was
der schwarze Hans
erlebte.

Kindererzählung aus der Heimat
von
Theodor Zenner.

Esch an der Alzette.
Druck und Verlag: Kremer & Rettel.
1921.

Meinem Vater selig
in dankbarer Erinnerung
gewidmet.


I.

Der schwarze Hans?!

Wer war denn das? – Vielleicht ein ausgelassener,böser Bube? – ein Räuber? – ein Neger im fernenAfrika?

Nichts von alledem. Der schwarze Hans war nichtsanders als ein alter, sehr alter Rabe.

Aus der Naturgeschichte ist euch gewiß bekannt, daßdie Raben ein sehr hohes Alter erreichen; ja man sagtsogar, sie könnten es bis auf 200 Jahre bringen. –

So alt war freilich unser Hans noch nicht; aber über100 und weit darüber gingen seine Jahre. Genau wiealt er sei, wußte er eigentlich selbst nicht; denn die alteTanne, worin er jedesmal ein Zeichen eingehackt, wennder garstige Winter von dannen zog und ein neuerFrühling in die Länder kam, war vor 50 Jahren umgehauenworden; und so war Hansens Tagebuch verlorengegangen. Gegen 140 mochten seine Sommer zählen,vielleicht einige mehr, vielleicht einige weniger; doch dasverschlägt ja auch nichts; Hans war sehr alt, und dasgenügt.

Trotz seines hohen Alters war er aber noch sehrrüstig. Zwar ging er wie alte Leute etwas gebückt, aberseine Federn waren noch nicht weiß geworden; sie schillertennur etwas ins Grünliche hinüber. Er hörte auchnoch vorzüglich, und im Fliegen hätte er es mit einemZwanzigjährigen aufnehmen können. Oft indes klagteHans, daß in den letzten Jahren sein Augenlicht bedeutendabgenommen habe; er sah bei weitem nicht mehrso klar wie früher. Die Brille, die er im Garten desLehrers gefunden, leistete ihm daher treffliche Dienste.Fast beständig trug er sie; selbst wenn er erzählte, setzteer sie bedächtig auf, und über die Gläser hinweg sah erscharf seine Zuhörer an.

Viel war der Hans in seinem langen Leben imLande herumgekommen. Gute und böse Tage und Jahrehatte er gesehen. Für alles hatte er ein offenes Auge gehabt;Land und Leute hatte er fleißig beobachtet, und erhatte sich alles wohl gemerkt und eingeprägt. Sein Gedächtniswar noch frisch, seine Zunge gelenkig wie inihren besten Jahren. Kein Wunder also, wenn Hanserzählen konnte, wie kaum ein zweiter. Weit und breitwar er dafür bekannt, und die Rabenbüblein der ganzenGegend kamen gerne zu ihm, um seinen Erzählungen zulauschen.

Umsonst freilich erzählte der alte Hans nicht. Seinekleinen Zuhörer mußten ihm Geschenke bringen, Engerlinge,Regenwürmer und dergleichen Leckerbissen, undnach der Menge der Gaben richtete sich die Länge seinerGeschichten.

Väterchen Hans erzählte gerne. Seine helle Freudehatte er jedesmal, wenn ihm die Rabenbüblein mäuschenstillzuhorchten. Besonders gern erzählte er „gruselig“,so gruselig, daß manchmal die schwarzen Bürschleinregungslos da saßen, kein Auge von ihm abwandtenund kaum noch zu atmen wagten.

Heute nun, an einem lauen Sommerabend, warensie wieder zu ihm gekommen; jeder hatte das Beste mitgebracht,was er zu finden vermocht, und vieles hattensie zusammengetragen, daß Väterchen Hans ihnen einmallange, sehr lange erzählen möchte. So hatte er esne

...

BU KİTABI OKUMAK İÇİN ÜYE OLUN VEYA GİRİŞ YAPIN!


Sitemize Üyelik ÜCRETSİZDİR!